Obertraubling – Geschichten aus der Geschichte

Autorin: Heike Wolter | Samuel Wolter (Illustrationen)

Erscheinungstermin: April 2023
Umfang: 280 Seiten; zahlreiche s/w-Illustrationen
Format: 15,5 x 22 cm
Ausstattung: Paperback
ISBN: 978-3-99082-133-6

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ISBN eBook: 978-3-99082-134-3

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Obertraubling: Ein Dorf im Wandel der Zeiten. Nahbar und persönlich, bewegend und zeitkritisch.

Stolz reckt sich der Kirchturm von Obertraubling seit Jahrhunderten in die Höhe. Um ihn herum hat sich die Welt oft langsam und manchmal rasant verändert. Aus dem kleinen Dorf ist eine moderne Großgemeinde geworden. Heike Wolter erzählt von diesem Wandel in 50 Szenen. Sie zeigt, wie Menschen Geschichte machen. Bäuerliches Leben am Hof, Dorfgemeinschaft, Lehrer und Pfarrer – das Leben folgt meist einem Gleichmaß. Doch Seuchen, Kriege und bahnbrechende Umwälzungen gehen auch an Obertraubling nicht vorbei.

Erstaunt stellen die Menschen fest: In nur einem Menschenleben macht das Dorf einen riesigen Zeitsprung! Heike Wolter fängt sowohl den ruhigen Strom als auch die Wirbel und Schnellen der Ereignisse in und um Obertraubling durch zahlreiche persönliche Zeitzeugen-Interviews sowie intensive Recherchen ein.

Über die Autorin Heike Wolter

Ich mag’s bunt – Darum habe ich fünf Kinder, vier Dinge studiert, in drei Orten gelebt, zwei Berufe und eine große Leidenschaft: Geschichte.

Ich mag Vergangenheit – Ein Glück, dass Obertraubling viel davon hat. Ob Steinzeit, Römische Geschichte, Mittelalter oder Moderne – über Obertraublings Geschicke im Laufe der Jahrhunderte (und sogar Jahrtausende) lässt sich spannend erzählen.

Ich mag Gegenwart – Wie gut, dass Menschen, denen ich täglich begegnen kann, lebendig aus der Vergangenheit berichten können. Mit ihnen kann ich mich auf Zeitreise begeben. Und es gibt Menschen, die heute Geschichte schreiben.

Ich mag Zukunft – Ich stelle mir vor, wie wir alle die Geschichte von Obertraubling weiterschreiben. In einem, zehn oder hundert Jahren. Gespannt bin ich, wie viel davon ich noch miterleben und mitschreiben darf. Und wer es danach tut.

Inhaltsverzeichnis

Wie Geschichte gemacht wird: Eine Gebrauchsanweisung … 8

Urk, der Steinzeitjäger, mit dem Feuerstein (50.000 v. Chr.) … 10
Tulius, der römische Legionär, und der Apis-Stier (179) … 15
Rotraud, die Bajuwarin, und das Leben nach dem Tod (590) … 20
Leopold, der Bauer, und der König (857) … 26
Rüdiger, der Dichter, und der Schlegel (1300) … 31

Albrecht, der Amann, und die Äbtissin (1343) … 36
Friedrich, der Weichser, und die Burg (1343) … 41
Johann, der Unschuldige, und das Rügegericht (1371) … 45
Heinrich, der Löwler, gegen den Herzog (1491) … 50
Bartholomäus, der Pfarrer, und die Pest (1520) … 54

Albrecht, der Maler, und sein Lehen (1537) … 59
Josef, der Alte, und der große Krieg (1633) … 63
Barbara, die Bäuerin, Seppi und Napoleon (1809) … 68
Scherg, der Gerichtsdiener, und die Henkersmahlzeit (1830) … 73
Johann, der Unternehmer, und die Tasse der Königin (1830) … 78

Wolfgang, der Landbesitzer, und die Walhallastraße (1834) … 83
Joseph, der Lehrer, und die Obertraublinger Schule (1825) … 88
Georg, der Hofbesitzer, und die Freiheit (1847) … 96
Erna, die Neugierige, und die Eisenbahn (1859) … 100
Josef und Mathias, die Feuerwehrler, und das neue Haus (1890) … 105

Maria, die Näherin, und ihre erste Nähmaschine (1895) … 110
Michael, der Pfarrer, und die neue Kirche (1907) … 115
Ignatz, der Ballkünstler, und der SVO (1923) … 121
Wilhelm, der Liebende, in Big Apple (1924) … 126
Mich, der Bader, und der entzündete Zahn (1924) … 131

Ludwig, der Trachtler, und der Maibaum (1924) … 136
Georg, der Flieger, in Einthal (1930) … 142
Franz, der Schulbub, und der „Führer“ (1937) … 147
Herbert, das Kriegskind, und der Angriff (1945) … 153
Moishe, der KZ-Häftling, und der schlimmste Platz auf Erden (1945) … 158

Howard, der Soldat, und der Absturz der Black Cat (1945) … 165
Josef, der Offizier, gegen die SS (1945) … 172
Josef, der Sudetendeutsche, und die neue Heimat (1945) … 177
Gerhard, der Vertriebene, in der Barackensiedlung (1950) … 181
Simon, der Schütze, beim Weitzerwirt (1956) … 186

Xaver, der Großherzige, und das offene Haus (1960) … 192
Gustava, die Malerin, und ein Lebensabend (1969) … 199
Georg, der Bürgermeister, und die Eingemeindung (1972) … 205
Hermann, der Hochspringer, bei Olympia (1972) … 210
Barbara, die Schülerin, und das große Jubiläum (1973) … 217

Caritas, die ehrwürdige Schwester, und der Kindergarten (1973) … 223
Pius, der Heimatpfleger, und das Ortsgedächtnis (1985) … 228
Reinhard, der Entwicklungshelfer, im wilden Osten (1991) … 233
Leo, der Gstanzl-Sänger, und das große Lachen (1996) … 239
Josef, der Radfahrer, und die Partnerstadt Dobrany (2007) … 245

Angelika, die Literaturliebhaberin, und die Bücherei (2009) … 250
Ingrid, die Pfarrerin, und die Diaspora (2018) … 256
Aydin, der Komponist, und die Orgel (2018) … 261
Olesia, die Optimistische, und das sonnengelbe Haus (2022) … 265
Isabella, das Sonntagskind, und die Zukunft (2022) … 271

Meine Ortsgeschichte … 275

Über die Autorin: Heike Wolter … 279

Über den Illustrator: Samuel Wolter … 279

Vorwort

Wie Geschichte gemacht wird: Eine Gebrauchsanweisung

Vor bald drei Jahren fragte mich Bürgermeister Rudolf Graß, ob ich mir vorstellen könnte, ein neues Ortsbuch zu schreiben. Die bisherige Chronik endete Anfang der 1980er Jahre und seitdem war eine ganze Menge geschehen. Nicht nur die Welt hatte sich verändert, auch in Obertraubling war die Zeit nicht stehengeblieben.

Zum Jubiläum sollte das handliche Büchlein mit 50 Geschichten aus der Geschichte fertig werden. 2023 müsse es vorliegen und die Menschen auf eine Zeitreise durch 1150 Jahre Obertraublinger Vergangenheit mitnehmen.

Doch halt, 1150 Jahre? Schon wer die Chronik von 1982 aufmerksam gelesen hatte, dem verknotete sich das Hirn beim Rechnen. Die dort abgedruckte „Geburtsurkunde“ datiert laut Wissenschaftlern in die Jahre 826 bis 840. Keinesfalls käme man 2023 so auf 1150 Jahre. „Ja, aber …“ entgegneten die Älteren, die 1973 fulminant die 1100-Jahr-Feier Obertraublings mit Zwölfuhrläuten, Festumzug und Tag der Jugend gefeiert hatten.

Nach einigen Recherchen ist klar: Das Jubiläum 1973 war eine wirkmächtige Inszenierung. Sie diente dazu, ein Jubiläum nachzuholen. Dieses hatte unbestimmt irgendwann zwischen 1926 und 1940 gelegen. Das war in einer Zeit, in der kaum jemandem nach Feiern zumute war. Nach dem Krieg jedoch hatte Obertraubling einen steilen Aufstieg genommen. Erst 1972 waren die letzten Teile der Großgemeinde per Gebietsreform hinzugekommen. Außerdem feierten 1973 der Sportverein Obertraubling sein 50-jähriges, der Trachtenverein Holzhacker und die Freiwillige Feuerwehr Obertraubling ihr 100-jähriges Bestehen. Kein Wunder, dass Bürgermeister Hermann Zierer am 28. Juni 1970 im Gemeinderat vorschlug, „die Vereinsfeste in größerem Stile und im Rahmen einer (und nicht DER) 1100-Jahr-Feier von Obertraubling zu begehen“.

Das ist Geschichte in doppeltem Sinne: Es ist eine der spannenden Erzählungen in diesem Buch. Und es ist die Rekonstruktion der Vergangenheit. In diesem Falle nicht so sehr des Gründungsdatums, sondern der jüngeren Gemeindegeschichte am Anfang der 1970er Jahre.

Geschichte ist eben nicht das, was geschehen ist. Sie ist das, was wir darüber erzählen. Das tun wir aufgrund von Quellen. Aber manchmal fehlen solche Quellen. Manchmal sind sie ungenau. Und manchmal widersprüchlich. Immer dienen sie dazu, zu erklären, woher wir kommen und wie die Vergangenheit uns prägt. Wir denken uns das, was geschehen ist, vor dem Hintergrund unserer eigenen Erfahrungen. Das ist auch und besonders bei diesem Buch so. Es sind die von mir recherchierten Quellen und Darstellungen, die das Gerüst bilden. Aber es sind meine ganz persönlichen Vorstellungen, die die Leerstellen zwischen den „Beweisen“ füllen. Ganz wie schon der englische Schriftsteller William Somerset Maugham geschrieben hat: „Der Historiker ist ein Reporter, der überall dort nicht dabei war, wo etwas passiert ist.“

Einige Lücken konnte ich dank der unermüdlichen Hilfe von Edgar Rothammer schließen. Seine Kenntnisse der (oft nicht niedergeschriebenen) Lokalgeschichte(n) und seine Fähigkeit, als Einheimischer stets zu wissen, wen man fragen muss, hauchten den Geschichten noch mehr Leben ein.

Manche Leerstellen waren allerdings so groß, dass sie sich nicht füllen ließen: Das ist der Grund dafür, warum es viel mehr Geschichten über Männer gibt. Gerade als Historikerin hätte ich gern mehr von der weiblichen Seite der Ortsgeschichten erzählt. Doch wo die Quellen hartnäckig schweigen, da wäre Geschichtsschreibung zur Märchenstunde geworden – und das sollte sie nicht.

Was wir heute über die Vergangenheit von Obertraubling erzählen, sagt viel über unsere Gegenwart aus. In diesem Sinne sind Sie die besten Geschichtenerzähler*innen. Nutzen Sie gern die vorbereiteten Seiten am Ende des Buches, um den Geschichten aus der Geschichte eine weitere hinzuzufügen. Wenn Sie mögen, teilen Sie sie, das Rathaus freut sich sehr auf Ihre Einblicke. Vielleicht gibt es ja irgendwann einen zweiten Band mit Geschichten aus der Geschichte der Großgemeinde Obertraubling!?

Und nun: Begleiten Sie mich auf eine Zeitreise mit 50 kurzweiligen 15-Minuten-Geschichten.

Viel Vergnügen wünscht Ihnen dabei

Heike Wolter

Historikerin aus Obertraubling

Leseprobe

Urk, der Steinzeitjäger, mit dem Feuerstein (50.000 v. Chr.)

Schon vor Zehntausenden Jahren hat es in der Gegend der Großgemeinde Obertraubling Menschen gegeben. Weil die Kulturen, aus denen sie stammten, schriftlos waren, wissen wir nur sehr wenig über sie. Aber trotzdem zeugen Bodenfunde von ihrer Anwesenheit. Manchmal werden sie gesucht, aber oft kommen sie ganz zufällig zum Vorschein: beim Pflügen der Felder. Diese fruchtbaren Böden mit dem entsprechenden reichen Pflanzenbewuchs waren auch der Grund, warum sich schon vor langer Zeit Menschen in der Gegend niederließen. Sie zogen als Jäger*innen und Sammler*innen über das Land – und hielten sich offenbar auch im heutigen Scharmassinger und Gebelkofener Gebiet auf.

*

Der Herbst war da. Bald würde es wieder kalt werden, morgens spürte man es schon. Urk trat aus der Grashütte, die ihm und seiner Gruppe als Nachtlager diente. Im Frühjahr waren sie – wie jedes Jahr – in das Hügelland südlich des großen Flusses gezogen. Hier sammelten sie Beeren und Früchte, Pilze und Wurzeln. Gemeinsam gingen sie im Schutz des hohen Grases und der Büsche auf die Jagd. Urk war groß, stark und dicht behaart – kein Wunder, dass er der Anführer der Gruppe geworden war. Er weckte seine Gefährten. Wenn sie Jagdglück haben wollten, mussten sie los. In den letzten Tagen hatten sie weder kleine Schneehasen gefangen, noch war ihnen ein großes Tier begegnet. Alle hatten Hunger.

Urk griff nach seinem Speer, den er sich in vielen Stunden Arbeit selbst gemacht hatte. Es war ein langer Stab, der gerade Stamm eines jungen Baumes. Mit einem Schaber hatte er zunächst das Holz geglättet, sodass es gut in seiner Hand lag. Dann kümmerte er sich um die Spitze seines Speers. Diese bearbeitete Urk so lange mit Steinklingen, bis sie in seinen Augen perfekt war. Abschließend härtete er die Speerspitze im Feuer. Er hoffte, dass seine Waffe nun stark genug war, um es auch mit Wollnashorn und vielleicht sogar mit einem Mammut aufnehmen zu können.

Die kleine Jägergruppe – vier Männer und eine Frau – zog los. Sie hatten sich schon weit von ihrem Lager entfernt und waren immer weiter in die hügelige Landschaft vorgedrungen. Plötzlich hörten sie ein Knacken und Rascheln im niedrigen Strauchwald voraus. Sie duckten sich und suchten hinter den Büschen ein Versteck. Ein direkter Angriff war viel zu gefährlich. Schon viele Jäger waren dabei umgekommen. Sie hatten Hunger, aber sie mussten geduldig sein. Urk war nervös, aber er fühlte sich auch bereit.

Auf einmal konnten Urk und seine Gefährten Fell zwischen den Blättern sehen. Tatsächlich, ein Wollnashorn. Das große Tier war wohl ebenfalls auf der Suche nach Nahrung. Nun trat es hervor – ein junger Bulle. Vorsichtig schlichen sie gegen den Wind noch näher heran. Sie hörten nun jedes Schnaufen und die malmenden Zähne. Wie riesig das Wollnashorn war. Tief hing sein Kopf herunter und seine zwei Hörner waren deutlich zu erkennen. Das vordere, größere konnte einen Jäger mühelos aufspießen. Urk schauderte.

Doch für Furcht war jetzt keine Zeit. Lautlos blickten die Jäger einander an. Auf Urks Kommando – er schlug zwei Steine aneinander – sprangen sie auf. Mit aller Kraft stießen Urk und die Anderen ihre Speere von den Seiten in den Leib des Tieres. Ein Speer bohrte sich zwischen zwei Rippen hindurch. Das Nashorn fauchte, drehte sich und stürzte schmerzerfüllt weg. Sie brachen in Freudengeheul aus. Angst und Hunger waren vergessen.

Nun kam die entscheidende Aufgabe. Der Speer war steckengeblieben, diese Verletzung würde das Tier nicht überleben. Sie mussten ihm auf den Fersen bleiben. Nach einigen Stunden der Verfolgung hatten sie einen See erreicht – dort erblickten sie hinter einigen Fichten das Wollnashorn. Es lag tot am Ufer. Rasch drängten sie sich um die Beute. Was für ein Fleischberg! Nun kamen ihnen ihre Faustkeile zu Hilfe. Sie nutzten das fein gearbeitete Werkzeug, um Fell und Sehnen zu durchtrennen, Knochen aufzuschlagen und das Fleisch zu zerteilen. Gierig aßen sie, so viel sie konnten. Dann luden sie so viel wie möglich auf und machten sich auf den Weg zum Lagerplatz der Gruppe. Morgen würden sie mit den Anderen der Gruppe wieder herkommen und den Rest des Wollnashorns holen. Jeder Teil des Tieres war kostbar.

Als sie in ihr Lager zurückkamen, kehrten gerade einige Mädchen und Jungen vom Beerensammeln zurück. In Fellstücken trugen sie ihr Sammelgut zu zwei alten Frauen, die hinter einem Windschirm saßen und das Feuer bewachten. Noch war es klein, aber die Ankunft der Jäger ließ alle zusammenlaufen. Äste wurden aufgelegt, die Flammen züngelten hoch. Zwei Männer machten sich auf den Weg Holznachschub zu holen. Heute würde es ein besonderer Abend werden.

Alle betrachteten die schweren Fleischstücke. Rufen und Lärmen brach los, alle freuten sich. Mit messerscharfen Feuersteinklingen schnitten sie das Fleisch in kleine Teile und aßen es roh. Weitere Stücke rösteten sie über dem Feuer. Bald zog ein köstlicher Fleischgeruch durch die Luft. Es war genug für alle da. Konnte das Leben besser sein? Sie waren satt und zufrieden. Das Fleisch des Wollnashorns sicherte das Überleben der Gruppe für die kommende Zeit. An diesem Abend saß Urk noch lange am Lagerfeuer, dessen Flammen ihnen Licht, Wärme und Sicherheit spendeten.

*

1982 schrieb Thomas Fischer vom „größte[n] Geschichtsarchiv unseres Landes, nämlich dem Boden unter unseren Füßen“. Das ist auch in der Großgemeinde Obertraubling so. Bereits seit mehr als einem Jahrhundert werden immer wieder bedeutende Funde aus der Vor- und Frühgeschichte, aber auch aus späteren Zeiten gemacht. Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung gibt es aus dem Gebiet von Scharmassing und Gebelkofen. Dort gab es wohl schon in der Altsteinzeit Lagerplätze, also vor mehr als 11.000 Jahren.

Über die damaligen Menschen wissen wir nur sehr wenig. Das Feuersteingerät aus Gebelkofen und die zwei Faustkeile aus Scharmassing geben uns nur einige kleine Einblicke. In der archäologischen Forschung über diese früheste Zeit des Menschen gibt es oft mehr Fragezeichen als Antworten.

Die Geschichte über Urk und seine Gruppe ist deshalb bis auf die Werkzeuge gänzlich ausgedacht. In Scharmassing gibt es (bisher) keine Knochenfunde von Wollnashörnern. Nächste Fundorte finden sich aber im Altmühltal. Daher ist es wahrscheinlich, dass die Tiere in der örtlichen Steppentundra mit ihren niedrigen Zwergbirken und -weiden ganz allgemein verbreitet waren.

Die Menschen damals haben sich noch nicht mit Sprache, sondern durch Laute verständigt. Sie haben gemeinsam gejagt, doch eher, indem sie das Tier verfolgten. Der direkte Angriff war wohl vor allem ein kurzes Überraschungsmoment, um das Tier so stark zu verletzen, dass es bald verendete. Womöglich jagten nicht nur Männer, sondern auch Frauen.

Und ebenso sammelten wohl nicht nur die weiblichen Mitglieder der Gruppe, sondern alle. Schließlich brauchte es viele Hände, um Pflanzen, Nüsse, Beeren, Kleingetier, Aas und Ähnliches in ausreichender Menge zu beschaffen.

Erste Zelte entstanden auch schon in der Altsteinzeit – wann genau und ob auch in unserer Gegend, ist unbekannt. Die längste Zeit aber wurden sicher einfach zu errichtende Grashütten und natürliche Höhlen (von denen es in Obertraubling keine gibt) genutzt. Das Feuer konnten die Menschen damals bereits kontrollieren und für sich nutzbar machen. Allerdings kannten sie wohl noch keine Formen der Haltbarmachung wie das Räuchern.

Was nun die Großgemeinde selbst betrifft, haben wir die Funde vor allem Heinrich Ebentheuer zu verdanken. Der Scharmassinger Bauer streifte ausgiebig über die fruchtbaren Lößlehmfelder. Mit der Schar, dem Pflug, wurde der Boden hier aufgerissen und für die Aussaat vorbereitet. Die Bodenbearbeitung brachte aber immer wieder auch Dinge aus der Vorgeschichte zutage. Darunter jene zwei Faustkeile aus der frühen Altsteinzeit. Sie stammen laut Thomas Fischer von vor 50.000 Jahren, aus der sogenannten Würm-Eiszeit, der letzten Kaltzeit in Europa.

In der vorgeschichtlichen Sammlung des Historischen Museums in Regensburg kann man sich selbst ein Bild der Faustkeile machen, die in der Nähe des Aubachs gefunden wurden. Sie sind 13,3 bzw. 10,2 Zentimeter groß. Im Museum zeigt sich auch, dass es nicht die einzigen Funde dieser Art und dieser Zeit sind. Auch der Oberislinger Hans Stadler hat steinzeitliche Funde aus dem Aubachtal abgegeben.

Warum diese Schwerpunktbildung im Aubachtal? Das kann, aber es muss nicht zwingend mit den Lagerplätzen der damaligen Bewohner zu tun haben. Wahrscheinlich war die Gegend zwar attraktiv, aber um heute auf solche Überreste zu stoßen, braucht es auch Möglichkeiten, auf unbebauten Flächen etwas aufzufinden. Und Interessierte, die mit kenntnisreichem Auge sehen, bei welchen Steinen es sich um vom Menschen bearbeitete Stücke handelt.

Ausflugstipp: Das Archäologische Museum Kelheim und das Historische Museum Regensburg haben vor- und frühgeschichtliche Abteilungen und auch ein entsprechendes Führungsangebot. In den Fossiliensteinbrüchen des Altmühltals wird die Urgeschichte lebendig. Und auch das Schulerloch bei Altessing war schon in der Eiszeit von Tieren wie Höhlenbär, Wollnashorn und Mammut besiedelt.

***

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Heike Wolter

Dr. phil. Heike Wolter, geboren 1976, studierte Germanistik, Geschichte, Sozialkunde und Ethik.Heike Wolter, Autorin bei edition riedenburg

Sie ist beruflich Historikerin, Universitätsdozentin, Autorin  und  Lektorin. Gemeinsam mit 10 engagierten SchülerInnen des Gymnasiums Neutraubling (P-Seminar Geschichte) folgte sie den Spuren der Geschichte in die historischen Winkel und Ecken von Regensburg.

Heike Wolters Themen, mit denen Sie sich beruflich beschäftige, umfassen - völlig ungeordnet - beispielsweise deutsch-jüdische Geschichte, Tourismusgeschichte, Geschichte von Räumen und DDR-Geschichte; Familie, Schwangerschaft und Geburt; Verlust und Trauer.

www.heikewolter.de

 

Bücher von Wolter Heike

 

Samuel Wolter

Samuel Wolter ist der Illustrator des Buches "Obertraubling - Geschichten aus der Geschichte". Er hat dafür spitzfindig historische Comiczeichnungen angefertigt. 

Bücher von Samuel Wolter

Obertraubling – Geschichten aus der Geschichte – Leseprobe